Bei meinen Wildbienen-Safaris fällt mir immer wieder etwas auf: Die Leute stehen da. Distanziert. Hören zu, sind passiv. So wie man das vom Bildschirm kennt – du interagierst mit dem Computer, vermeintlich, aber eigentlich tust du nichts. Du sitzt nur da und beobachtest.
Und genau so kommen viele zu den Safaris. Gehen nach draußen, wollen was lernen. Das finde ich toll! Wirklich. Ich finde es sehr gut, wenn die Leute ihren Horizont erweitern wollen, wenn sie etwas mitnehmen und wenn sie mit dem Vorsatz nach Hause gehen: Ich ändere jetzt was, ich helfe, ich unterstütze. Manche schreiben sogar mit.
Und trotzdem denke ich mir dann hinterher immer: Ihr kriegt Wissen, aber kein Verständnis.
Ich bin ganz gut im Pflanzenbestimmen. Habe das sogar mal im Studium gelernt (Biologie Nebenfach, Botanische Bestimmungsübungen) und danach bei der Fortbildung zum Artenschutzbotschafter wieder aufgefrischt. Aber mittlerweile, wenn mich jemand fragt "Was ist das für eine Pflanze?", beantworte ich die Frage gerne, sage auch mal: "Lad dir FloraIncognita auf's Handy runter und analysiere es mit der App."
Nicht weil ich die Person nicht zum lernen ermuntern möchte. Sondern weil ich denke: Das ist nicht das Problem. Das Bestimmen bringt's nicht (zumindest nicht allein).
Ich habe absolute Hochachtung vor Menschen, die wirklich jede Pflanze bestimmen können, jedes Tier kennen. Biotopbetreuer zum Beispiel. Es ist schon toll, was die alles wissen. Die sehen auch Verbindungen – da steht eine Brennnessel, Stickstoffzeiger, also wurde hier viel gedüngt, vielleicht eine beliebte Ecke bei Hunden. Eine ganze Kette von Gedanken. Mir sind diese Zusammenhänge zum Teil auch bekannt.
Aber selbst da – man kann noch einen Schritt tiefer gehen.
Ich glaube, es gibt Leute, die sehr glücklich sind mit dem "Ich weiß es, ich kann es bestimmen, ich habe unendliches Wissen." Aber die Bezüge sind nicht da. Auf jeden Fall nicht der emotionale Teil.
Man bleibt distanziert. Man bleibt User. Man bleibt Experte.
Was fehlt? Ich weiß es nicht genau. Vielleicht ist es diese Verbindung, von der ich nicht schon wieder reden wollte (aber anscheinend tue ich es doch). Dieses große Ganze. Diese... Teilhabe?
Wenn ich zur Brennnessel gehe und weiß: Urtica dioica, zweihäusig, Stickstoffzeiger, Futterpflanze für über 50 Schmetterlingsarten – dann ist das super. Wirklich. Das ist wichtiges Wissen. Vorallem weil sie ja dann doch gerne entfernt wird. Ist ja ein Unkraut.
Aber wenn ich zur Brennnessel gehe und spüre: Hier ist Leben. Hier ist Kraft. Hier ist etwas, das zu diesem Ort, zu diesem Moment, sogar zu mir gehört, denn ich bin Teil des Ortes, des Moments – dann ist da noch was anderes.
Beides muss sich nicht ausschließen. Ich glaube sogar, das eine ergänzt das andere. Aber ich habe das Gefühl, wir bleiben zu oft beim Ersten stehen.
Manchmal, bei den Safaris, gibt es einen Moment. Jemand steht vor einer Wildbiene und wird plötzlich still. Nicht weil ich gerade erkläre. Sondern weil da etwas passiert.
Eine Begegnung.
Inzwischen sind das die Momente, für die ich das mache. Diese Menschen sind plötzlich da. Präsent. Teil von etwas.
Ob das jetzt "Verbindung" heißt oder "Achtsamkeit" oder "im Moment sein" – keine Ahnung. Vielleicht sind das alles nur verschiedene Worte für dasselbe.
Ich habe keine Patentlösung, die auf Knopfdruck funktioniert. Aber ich habe einen Weg gefunden, wie man sich dieser Verbindung annähern kann. Den gehe ich selbst, und den gehe ich mit Menschen in meinen Naturverbindungs-Angeboten.
Ob das bei jedem klappt? Nein. Manche finden schnell einen Zugang, andere brauchen länger. Manche kommen mit einem Notizbuch und gehen mit einem Notizbuch. Aber einige – einige haben diesen einen Moment der Stille. Und das reicht mir.
Die Natur braucht keine Experten. Sie braucht Verbindung. Sie braucht Menschen, die sich als Teil von ihr verstehen. Die nicht nur wissen, sondern auch spüren. Die nicht nur bestimmen, sondern auch begegnen.
Wie man diesen Schritt vom Wissen zum Fühlen macht? Das ist ein Prozess. Einer, den ich begleite. Nicht mit Patentrezept, sondern mit Geduld. Nicht mit Garantie, sondern mit Einladung.
Es fängt damit an: innezuhalten. Zu schauen. Zu spüren. Nicht sofort zu bestimmen, sondern erst mal zu begegnen.
Und vielleicht auch mal die App wegzulegen.